21. Juli 1969. Armstrong betritt den Mond. Als damals 1 1/2 jähriger glaube ich bis heute mich daran erinnern zu können als es geschah. Von welcher Bedeutung es heute für die Menschheit ist, damals war es eine Große.
Diesmal gab`s tatsächlich Tränen, als ich am Dienstag aus Pieve di Cadore startete und Ingrid die Heimreise antrat. Die gemeinsame Zeit seit dem Tag der Sinne 2009, die Dolomitenquerung mit der Bezwingung des Vandelli, das Wissen um den anstehenden Weg nach Rom.
Für mich leichter, weil unmittelbar nach dem Aufbruch damit beschäftig den Weg aus der Stadt zu finden, super, toll beschrieben, eine Horde Radfahrer zeigt den Weg. Glücklich darüber und auch gleich damit beschäftigt, den spontanen Starkregen mit einer 1ten Pause zu begegnen, Jacke raus, Regenschutz auf den Rucksack, Apfel. Der Regen läßt nach und ich starte Richtung Belluno.
Der Radweg ist kurz nach der Stadt nicht mehr als solcher gebaut, er verläuft auf der alten Straße nach Longarone, die Neue ist teilweise 4 spurig ausgebaut und verläuft parallel, manchmal in Tunnels verschwindend. Die Dörfer so, wie die Dörfer an alten Bundestraßen sind, manchmal ein bisschen Gewerbe oder Industrie, jedenfalls eine Kirche und eine Bar oder ein Alimentari. Auf der Straße die Radfahrer Richtung Belluno, die posta Italiana, die Telekom, die Enel, die Müllabfuhr und der Rauchfangkehrer, wochentags vormittags. Ein A4 Kombi aus GM fährt vorbei, Radweg anschauen vielleicht. Immerhin geht es zügig abwärts, keine Sonne, kein Regen, es läuft. Pause in einer Bar mit Toast. Weiter geht’s, ok, Longarone ist die Stadt des Eis und bereitet sich auf das Eisfestival vor. Dann also Eissalon statt Pizza, Banana Joghurt. Im Eissalon Treff ich eine Mainzer Dolomitenweg 3 Bezwingerin, gefällt ihr eigentlich nicht so sehr in Longarone, Belluno ist schön, da gibt es so eine Pizzaria und Albergo, total nett, irgendwas mit den Köpfen… Capelli? Ja, genau. Das suche ich eigentlich und da möcht ich heute noch hin. 26 Km sind geschafft, eigentlich könnt man bleiben um 5 Uhr und sich weiter von den Bergen ausrasten. Aber mitten in Phase 2 ist das System nicht bereit, Belluno, Feltre, Monte Grappa, da fehlt noch was. Aus Longarone raus bin ich leider auf der rechten Flussseite gelandet, anstatt die ruhigere, nur wenige Km längere Strecke auf der linken Flussseite zu nehmen. Der Verkehr auf der Straße erhöht allerdings die Marschgeschwindigkeit, man passt sich an. Auf halber Strecke habe ich den Radweg gefunden, der Weg nach Belluno zieht sich durch die Dörfer und Vororte, viele Italiener treffen sich zum Radfahren, Industrie, Gewerbe, Wohnsiedlungen und gepflegte Gärten werden mehr. Auf der Suche nach einem Orientierungspunkt nervt selbst der Weg durch das beschauliche Stätdchen, bevor er endlich auftaucht, ansprechend beleuchtet, der Piazza del Duomo. Gebe in maps Albergo und Pizzeria ein, hebe meinen Kopf und sehe, „Albergo Capello“. Also rein in das Ding, Dusche, Bier, Pizza, Bett. An diesem Tag hat viel zusammen gepasst, das Wetter, 500 Hm bergab, die dennoch entspannten Tage davor, für die Dolomiten war Zeit reserviert und der Poncho eingepackt, die gesunde Jause die noch von den Bergen im Wohnmobil war, das alles ergab dann am Ende des Tages um ca. 21:00 Uhr in Belluno die noch auf keiner meiner Pilgerreisen bewältigte Tagesstrecke von 47,2 Km bei 1017 Hm Aufstieg. Rekord!
Nach dem Frühstück startete ich mit der Stadt Belluno in den Tag, der Radweg wie in Pieve gut ausgebaut, dann auf der alten Straße durch die Vororte und anschließenden Dörfer führend. An den Häusern die Schilder „attenti al cane“, dahinter 4-beinige keiffende Tiere, Schulterhöhe Bergschuh, die dich von Anfang bis zum Ende dss Zaunes begleiten und dort an den Nachbarn übergeben. 1er war heiser, ist aber wg. Vorgänger und Nachfolger nicht aufgefallen. Irgendwie taugts ma überhaupt nicht, die Luft drückt, heiß, überall zwickts. Wasser trinken. Vielleicht im nächsten Ort eine Pause. Jetzt schon, gerade Rauchpause gemacht… Im Ort aber dann der Wochenmarkt mit Fischwagen und… calamares frittes, ho raggione, Pause. Obviously werde ich dort von einigen Menschen gesehen. Die Fische machen den Weitermarsch aber auch nicht leichter, also nach einigen Dörfern, die ich durchwandere weil ich dem Radweg zur Kirche am Berg nicht folge, und ebenso vielen Menschen, die mich am Markt eh schon gesehen haben und mir den Weiterweg erklären, und die Kinder an deren Spielplatz ich vorbei komme und die mich daraufhin aus dem Ort begleiten, lande ich in einer Bar. Ricardo, der mich mittags am Markt gesehen hat, fragt wohin ich gehe und ob ich auch auch einen Blog schreibe und er schreibt auch einen.
Dann bricht das Grauen, mit Blitz und Donner setzt ein Starkregen ein, Ricardo zischt mit seinem Hund ab, der Wirt serviert mir noch einen Kaffe und ein Mineral und sperrt dann zu. Mittagspause. Es blitzt und donnert weiter, der Dolomitibus, ein funktionierendes Verkehrskonzept, für Pilger jedoch eine drückende Dauerbelastung seit Sexten, fährt vorbei. Ich breche den Track ab, die Durchschnittsgeschwindigkeit ist bereits auf 2,7 Km/H gesunken. Damit ist die core group, die Zugriff auf die Tracks hat, informiert. Keine Besserung in Sicht informiere ich dann noch die core group via Videonachricht über die Aussichtslosigkeit der Lage. Und erhalte Hilfe, wir nennen das Wolken schieben und dauert ca. 30 Minuten zur deutlichen Wetterverbesserung. Um 16:15 setze ich bei Sonnenschein meinen Weg Richtung Feltre fort, zuvor hatte ich mich noch in der Apotheke mit Creme und Magnesium eingedeckt. Der Vortag steckt noch in den Knochen.
Ich überquere den Fluss Feltre, marschiere nach 7 bei einem gepflegtem Albergo/Ristorante vorbei, obwohl es doch wieder zum Tröpfeln beginnt. 1 Km weiter erwischt mich ein Starkregen, ich rette mich zurück mit der Erfahrung reicher, das, wenn ich mein Handy weiterhin gebrauchen will, ich es bei Regen schnell wegpacke, bei Starkregen tief nach innen ins Wohnmobil.
Am nächsten Morgen geht es dann über wenig befahrene Straßen und Wege nach Feltre, ein wunderschönes Städtchen, hätte sich ausgezahlt zu erreichen am Vortag, aber andererseits bei Gewitter. Nach einem Kaffe und Cornetto mache ich mich auf den Weg Richtung Monte Grappa. Ich verlasse die Stadt, will nicht auf die Berge und wandere auf den Spuren des Giro ins Tal und die Serpentinen hinauf. 30 Km ab Seren stehen an und ich gebe zu, ausser einem Google Earth Flug und der Belluno Karte, die ich seit einigen Tagen bei mir habe, weiß ich nicht recht, was mich erwartet. Wieder nicht zu heiß, oft bewölkt, ohne Verkehr, auf der Straße, plötzlich Kilometermarken, 7, 6, 5, 4, 3, 2 Km wurden aufgesprüht. Nein, keine Giromarkierung für den Sprint bevor es richtig rauf geht, die Kilometer zur Bergkirche wurden aufgesprüht, bei der die Vorbereitungen für eine Hochzeit am Samstag laufen. Ich mache dort länger Pause, ein guter Platz mit Wiese, Quelle und etwas Leben rund um den Kirchenplatz. Ich bleibe auf der Straße, teilweise 20 % Prozent Steigung. Während einer kurzen Pause beginnt ein Donnern gefolgt von einem Starkregen, Handy eingepackt, Regenschutz auf den Rucksack, Stöcke weit weggestellt. Zum ersten mal in meinem Pilgerleben hole ich den Poncho raus, setzt mich hin und denk an die 2 Stunden auf der Terasse der Bar am Vortag, und an den Kirchenplatz. Der Regen hört auf, das Donnern ebenso, scheinbar mühelos tragen mich die Beine nach oben bis zur Alm, die heißersehnten Strahlen der Sonne, am gegenüberliegenden Talhang schon länger gesehen, scheinen mir ins Gesicht. Was kommt, dort bleibe ich. Leider nicht im touristischen Refugio, in dem keine Lager bereit sind, sondern im 2 Km weiter entfernten Albergo. Ich setze mich zu einer Gruppe Mountainbiker aus Berlin seit 5 Tagen unterwegs und auch am nächsten Tag die Heimreise. Sie berichten mir von dem beeindruckenden Denkmal am Monte Grappa, das ich am nächsten Tag sehen werde.
Der Aufstieg zum Denkmal auf der steilen, aber im Schatten liegenden Forststraße geht sehr leicht. Kurz vor dem Gipfel klettert man an den Artelleriestellungen aus dem 1 WK vorbei und durch Schützengräben hoch zum Denkmal. Das ist unbeschreiblich beeindruckend, ein Soldatenfriedhof, auf 1400 Hm, die österreichische Fahne weht neben der Italienischen.
Der Weg nach Bassano ist logischerweise ebenso weit, wie der Weg rauf war, die Stadt am Freitag Abend in bester Laune. Ein Gewitter treibt die Menschen von der Straße in die Lokale. Die Wäsche frisch gewaschen! Ich schreibe Blog auf der Terrasse des „Al Castello“.
Mit der Überschreitung der ehemaligen österreichisch-italienischen Grenze ist „la grande trasversale delle alpi“ gelungen, ein bedeutungsvoller Schritt am Weg, der kritische Meilenstein geschafft. Die Poebene liegt vor mir und am Horizont sind die Ausläufer des Apennin zu sehen. Das bisherige Leben ist durchschritten, die Zukunft liegt am Weg.
Gerade in den letzten Tagen waren die Kontakte wenig und sehr kurz, oft aber sehr herzlich. Menschen vor die Kamera zu bringen fällt mir noch schwer. #laroute folgt ab heute den Pilgerwegen Italiens. Ich werde den Tracks der Autoren der Reiseführer folgen. Wenn die Wäsche trocken ist.
Ultreia! Walk on!
Raphael